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Die Sportwissenschaft zu Yogatrends

Die Studie

Bedingt durch die zurückliegenden Pandemiemassnahmen veränderte sich auch die Yogawelt. Der renommierte Berufsverband BDYoga gab eine Studie in Auftrag, deren Ergebnisse das deutlich machen.

Zusammengefasst stellt die Studie fest:

Der Anteil der Menschen, die Yoga praktizieren, nahm während der Pandemie zu. Der Anteil derjenigen, die dabei ausschließlich mit Youtube Videos üben (gemeint sind nicht interaktive Onlinekurse) oder bei YouTube Yoga „erlernen", hat sich deutlich vergrößert. Gleichzeitig sank die Wahrnehmung einer Wirkung.

Interview mit Sportwissenschaftlerin

In einem lesenswerten Artikel der Zeitschrift Stern äussert sich Sportdozentin Tessa Temme von der Sporthochschule Köln zu dieser Entwicklung.

Die für mich wichtigsten Aspekte des lesenswerten Interviews möchte ich hier anhand von vier Zitaten herauspicken und um eigene Worte ergänzen. Die Zitate sind jeweils in Anführungszeichen und fett gedruckt.

1. Bewegungsmuster - die Krux

"Hat man falsche Bewegungsmuster erst einmal verinnerlicht, kann es sehr lange dauern, diese neu zu lernen. "Das gilt auch für Fortgeschrittene", sagt die Sportwissenschaftlerin. Deshalb rät sie auch routinierten Yogis, regelmäßig unter Aufsicht einer Lehrperson zu trainieren."

Das ist für mich der wichtigste Absatz im Artikel. 

Auch "geübte" Yogis, die bislang wenig Korrekturen oder Rückmeldungen erhalten haben, trainieren sich oft Fehlhaltungen an. Solange niemand sie darauf aufmerksam macht, bemerken sie diese womöglich erst Jahre später. Oft ist das dann der Fall, wenn es irgendwo weh tut.

 

Aus der Gehirnforschung wissen wir, dass unsere Wahrnehmung, unsere inneres Bild davon, wie wir eine Bewegung machen, oft nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt.

Das gilt für jeden Menschen, auch für Sportler*innen, wie z.B. Läufer*innen. Kommen Menschen neu zum Yoga, unterschätzen viele, dass Yoga andere Muster vorsieht, als die, die sie bislang fest verinnerlicht haben.

Um unsere Muster und mögliche blinde Flecken überhaupt erst zu bemerken, brauchen wir eine manuelle, taktile Unterstützung oder mindestens eine hilfreiche, verbale Rückmeldung. Schüler, die das erleben dürfen, sprechen oft von einem Aha - Effekt.

Zu dieser Thematik habe ich u.a. 2017 gebloggt.

2. Warum Korrekturen?

"Führt man die Bewegungen nicht korrekt aus – im Sinne des jeweiligen Ziels und im Sinne der Bewegungsmöglichkeiten und Grenzen des Gelenks – kann es auf lange Sicht zu Fehlhaltungen kommen. Um das zu vermeiden und die Haltungen zu optimieren, braucht es in der Regel Hilfestellungen von außen..." 

Diese Erkenntnis war und ist die Grundlage meines Unterricht.

Aus meiner Sicht lässt die Yogaphilosophie kein anderes Vorgehen zu. Sie will u.a. vermeidbares Leid vermeiden. Das gilt natürlich auch für unseren Bewegungsapparat. 

Es geht übrigens nie um Perfektion, sondern darum, Verletzungen oder Fehlhaltungen zu vermeiden, wenn Du von Deiner Lehrperson gezielt und genau korrigiert wirst.

 

Als gute Lehrerin brauche ich vertieftes anatomisches Wissen und meine Erfahrung aus 40 Jahren Bewegungsunterricht und Tanz, um meine Schüler hier optimal unterstützen zu können.

Nicht alle Yogalehrerausbildungen geben ihren Absolvent*innen das mit. 

Eine gute Lehrperson korrigiert übrigens in jedem Kurs, auch geübte Schüler (siehe 1.).

3. Wichtigkeit von Betreuung

"Bei einer betreuten Praxis kann die Lehrperson rumgehen, korrigieren, Hilfestellung geben und die Bewegungen individuell an die Bedürfnisse der Teilnehmer anpassen."

Genau so unterrichte ich in präsent. Selbstverständlich auch alle meine geübteren Schüler*innen. (Siehe 1.)

 

Zudem ist obiges Zitat der Grund, warum ich zunächst mit Onlineformaten haderte und dann ein spezielles Konzept ausgearbeitet habe.

In meinen Onlienkursen üben (ehemalige) Präsenz - Schüler/innen, deren Bewegungsmuster ich einschätzen kann, und die meine verbalen Korrekturen in Kombination mit taktilen Rückmeldungen kennengelernt haben. So können sie aus ihrer Präsenzerfahrung heraus leichter verstehen und umsetzen, was ich ihnen vermitteln möchte.

Online unterlege ich meine Erklärungen zusätzlich mit erläuternden Abbildungen, z.B. von bedeutenden Anatomiekriterien.

 

Trotzdem empfehle ich meinen Onlinekursteilnehmern immer mal wieder präsent dabei zu sein. Dazu bieten sich Workshops und Retreats an.

4. Bedeutung von Feedback

"Wenn 50 Menschen an einem Kurs teilnehmen, hat der Lehrende keinen Blick auf die einzelnen Personen ...". 

Man kann diese Erkenntnis nicht oft genug wiederholen. 

Sie gilt besonders z.B. für Videos, die an eine anonyme, möglichst große Gruppe von Menschen im Netz gerichtet sind. Das leuchtet vermutlich fast jedem ein. Dennoch boomen gerade Massenprogramme.

 

Meine Yogis wissen, dass die individuelle Betreuung, die sie erleben, nur bei maximal einem Viertel an Schüler*innen möglich ist.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht werden in vielen Businessberatungen große Yogaklassen und das Erreichen eines Massenpublikums logischerweise als Ziel empfohlen. Aus meiner Sicht ist in dieser Form lediglich ein Nachturnen, nicht aber echtes Lernen möglich. Genau das braucht es jedoch meiner Meinung nach beim Yoga.

 

Auch Yogalehrerausbildungen finden übrigens oft in Klassen mit bis zu 50 Teilnehmern statt, mit denselben Nachteilen. So ausgebildete Lehrer unterrichten später wiederum andere Yogis.

In der Klasse meiner 3 jährigen  Ausbildung beim Yogaforum in München waren wir 10 Teilnehmer - mehr wurden bewusst nicht angenommen. 

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